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     Abu-Said 
    Bevor die Gottheit noch das schimmerndeKristall des Firmaments errichtet hatte,
 als du und ich noch schlummerten im Nichts, –
 schon damals waren unsre beiden Namen
 verbunden durch die Gottheit, wunderbar.
 
    Eh noch die Sterne waren und der Mond,eh Wasser war und Feuer und die Erde,
 eh deine Stimme war und dein Gedanke,
 schon damals war durch Gott vorausbestimmt
 das Schicksal unsrer Liebe, wunderbar.
 
     Emir Moasi 
    War ich vom Wein nicht schon betört genug?Nun haben deine liebestrunknen Augen
 mich so berauscht, dass ich mich kaum noch kenne.
 
    Ich werde Tag und Nacht von deinen Augenverfolgt; ich schmachte schlaflos auf dem Lager,
 ich winde mich, ich weiß nicht, was ich tu.
 
    Ich stöhne, meine Lippen glühn wie Feuer,mein Hirn ist wirr, mein Herz schlägt zum Zerspringen,
 aus meinen Augen strömt es schwer wie Blut.
 
    Ich fühl es wohl: Ich bin nicht mehr ich selber,mein ganzes Wesen ist dir preisgegeben,
 die Glut verzehrt mich, ich bin willenlos.
 
    So lass mein Dasein denn in dir verlodern!Wie gern verzicht ich auf mein eignes Wesen,
 um aufzugehn in deinem Strahlenglanz!
 
     Dschami 
    Der ist ein wahrer Freund, dess' edles Herznur immer heißer glüht, wenn auch der Andre,
 den seine Seele liebt, ihm Böses antut.
 Und trifft auch tausendmal der Stein des Unrechts,
 geschleudert von dem Freunde, an sein Haupt:
 Nur immer höher, immer strahlender
 führt er den Turmbau seiner Liebe auf.
 
    Ich wandelte den guten Weg der Gnade,da sah ich dich in deiner Schönheit Schimmer
 am Wege stehn, so Holdes sah ich nimmer,
 und mählich kam ich ab von meinem Pfade.
 
     Feghani 
    Die Liebe hält mich ganz in ihrem Bann,es treibt mich nichts mehr in den Kreis der Frommen,
 was schert mich Gott und Kirche! Liebe Engel,
 vermeidet mich, die Reinheit meiner Seele
 ist weg für immer, in mir wühlt ein Feuer,
 entzündet durch die tulpenschönsten Wangen, –
 ich habe keine Angst mehr vor der Hölle
 und keine Lust, ins Paradies zu ziehn.
 
    
    neu Giordano Bruno 
    Ursach' und Grund und du das Ewige Eine,dem Leben, Sein, Bewegung rings entfließt,
 das sich in Höh' und Breit' und Tief' ergießt,
 dass Himmel, Meer und Unterwelt erscheine!
 
    Mit Sinn, Vernunft und Geist erschau' ich deineUnendlichkeit, die keine Zahl ermisst,
 wo Mittelpunkt und Umfang allwärts ist;
 in deinem Wesen weset auch das meine!
 
    Ob blinder Wahn sich mit der Not der Zeit,gemeine Wut mit Herzenshärtigkeit,
 ruchloser Sinn mit schmutz'gem Neid vereinet:
 
    Sie schaffen's nicht, dass sich die Luft verdunkelt,weil doch trotz ihrer unvergleichlich funkelt
 mein Aug' und meine schöne Sonne scheinet!
 
     Ricarda Huch 
    Was für ein Feuer, o was für ein Feuerwarf in den Busen mir der Liebe Hand!
 Schon setzt es meinen zarten Leib in Brand
 und wächst an deiner Brust doch ungeheuer.
 Zwei Fackeln lodern nun in eins zusammen:
 Die Augen, die mich anschaun, sind zwei Kerzen,
 die Lippen, die mich küssen, sind zwei Flammen,
 die Sonne selbst halt ich an meinem Herzen.
 
    Wo hast du all die Schönheit hergenommen,du Liebesangesicht, du Wohlgestalt!
 Um dich ist alle Welt zu kurz gekommen.
 Weil du die Jugend hast, wird alles alt,
 weil du das Leben hast, muss alles sterben,
 weil du die Kraft hast, ist die Welt kein Hort,
 weil du vollkommen bist, ist sie ein Scherben,
 weil du der Himmel bist, gibt’s keinen dort!
 
    Du warst nur kurze Tage mein Gefährte,doch ist mein Wesen so von dir durchstrahlt,
 und so dein Bild in meinem Tun gemalt,
 als ob ein Leben deine Nähe währte.
 
    So kann, ins Glas gesprüht, ein Tropfen Weindes Wassers Nüchternheit in sich verschlingen
 und es mit Süße, Farbe, Duft durchdringen,
 dass keins vom andern je mehr zu entzwein.
 
    So schwingen Sterne sich und aber Sterneum eine Sonne, die sich nie enthüllt,
 mit ihrer Kraft und ihrem Licht sie füllt,
 und sie regiert aus unermessner Ferne.
 
     Else Lasker-Schüler 
    Ich habe dich gewähltunter allen Sternen.
 
    Und bin wach – eine lauschende Blume im summenden Laub.
 
    Unsere Lippen wollen Honig bereitenunsere schimmernden Nächte sind aufgeblüht.
 
    An dem seligen Glanz deines Leibeszündet mein Herz seine Himmel an –
 
    Alle meine Träume hängen an deinem Golde, ich habe dich gewählt unter allen Sternen.
 
    Anton Wildgans 
    Ich geb dir einen Namen, süß wie Wein –gleich einer Beere schmiegt er sich im Munde,
 auf der sich manche milde Sonnenstunde
 verträumte in die Dämmerung hinein.
 
    In diesem Namen warst du immer mein,solang ich meine Sehnsucht mir erkunde,
 und alles Wehgeschlagene und Wunde
 heilte der Glaube an dein Nahesein.
 
    Ich kenn dich gut, du bist mir oft begegnet,in viele Wesen aufgeteilt: Oft nur
 in einem Aug, von Tränen überregnet,
 
    in einer leisen eingekerbten Spuran liebem Mund, in einem Beben nur
 von Händen, die mir meine Not gesegnet.
 
    Und jener Name ist wie eine Frucht,die köstlich sich am müden Aste ründet,
 und, unbeirrt von Herbst und Tod, verkündet,
 dass Werden ist in alles Lebens Flucht.
 
    Und wie aus eines Fruchtkerns dunkler Bucht,tief erdversenkt, der neue Frühling mündet,
 hast du, in mich getan, dich sanft entzündet,
 dass es aus mir wie Blühen Ausgang sucht.
 
    Weil du mich wieder liebe Erdennäheund klaren Trunk der Freude mich gelehrt;
 denn früher war ich mir nur zugekehrt
 
    und ganz verschüttet von Verzicht und Wehe.Jetzt aber bin ich hell und unbeschwert
 und lache wieder, höre gern und sehe.
 
    Ernst Bertram 
    Du kannst nicht sein,du kannst dich nur verschwenden,
 kannst bleiben nicht,
 die Erde wandert aller Enden;
 du kannst nicht sammeln, jedes Gold wird Blei,
 und nichts ergreifen, alles schwirrt vorbei;
 du kannst nicht wissen, denn es war schon Trug.
 Du kannst nur lieben. Lieben ist genug.
 
    Christine Busta 
    Heute nenn ich Dich Schnee,Du unerschöpflicher Schöpfer
 vergänglicher Sternkristalle,
 der die nackten Äcker bekleidet,
 den Wanderer weglos macht
 und die ärmlichsten Hütten
 füllt mit Geborgenheit und Einkehr.
 
    Schwebender Du, der den Bäumen Last wird,der die tapferen Krähen auswirft
 in die Stille und die Tiere
 aus den Wäldern den Menschen nahe bringt,
 der die Hilflosen hilfloser macht
 und die Hilfsbereiten bereiter.
 
    Lautloser, der das Vertraute entfremdet,wird uns deine Fülle begraben,
 werden Flüche das Lob ersticken?
 Morgen vielleicht schon wird uns Dein Weiß
 blenden, und Du beginnst zu tauen.
 Herrlicher! Dann nenn ich Dich Sonne.
 
    Annemarie Schnitt 
    dich nenne ichfragt mich wer
 nach meiner großen Liebe
 
    spröde dein Gesichtvon Strömungen umrissen
 deine steinerne Gestalt
 
    ausgeliefert den Stürmender Sonne preisgegeben
 verloren unter Sternen
 
    dich nenne ichfragt mich wer
 nach meiner großen Liebe
 dich
 gehalten
 von den Armen
 des Himmels
 
    G. L. Geliebter! Du meine Liebe,meine Welt,
 der tiefe Wald,
 das weite Feld,
 Du bist die Woge
 und der Strand!
 Geliebter! Du meine Sonne,meine Luft,
 Du bist die Blume
 und der Duft,
 das ferne Ufer
 und das Land!
 Geliebter!  Ja, Du alleinbist, was ich bin,
 Du mein Verlust
 und mein Gewinn,
 Du meine Chance,
 mein Beginn,
 mein ganzes Glück,
 mein ganzer Sinn,
 Du bist mein Leben
 und mein Blut,
 mein fester Glaube
 und mein Mut,
 Du bist mein Halt,
 mein ganzes Gut!
 Geliebter! Du meine Sehnsucht,meine Qual!
 Du bist der Strom,
 das tiefe Tal,
 unendlich nah –
 unendlich weit!
 Geliebter! Du bist mein Tagund meine Nacht,
 der stille Traum,
 der glücklich macht –
 Du bist die Zeit
 und Ewigkeit!
 Geliebter! 
    Abu-Said, Emir Moasi, Dschami, 
    Feghani: Hans Bethge, Der persische Rosengarten, Nachdichtungen persischer 
    Lyrik, Herbert Schult Verlag, Heidenheim 1980Giordano Bruno, Von der Ursache / dem Anfangsgrund / und dem Einen, 
    Gesammelte Werke, Band 4, Verdeutscht und erläutert von Ludwig Kuhlenbeck, 
    Eugen Diederichs Verlag, Jena/Leipzig 1906
 Ricarda Huch, Gesammelte Werke, Fünfter Band,  Kiepenheuer & Witsch 
    1966–1970
 Else Lasker Schüler, Werke und Briefe, Band 1: Gedichte, Suhrkamp Verlag
 Anton Wildgans, Sonette an Ead
 Ernst Bertram, Zwischenland. Ausgewählte Gedichte 1911–1955, Rimbaud Verlag,
    mit freundlicher Erlaubnis
 Christine Busta, Schneepsalm, Otto Müller Verlag, mit freundlicher Erlaubnis
 Annemarie Schnitt
    
    [Homepage], mit freundlicher Erlaubnis
 G. L., mit freundlicher Erlaubnis
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