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Jacopone da Todi

Licht über Raum und Zeit,
du unsichtbare Güte,
Licht, grenzlos an Gebiete,
mach’ du mein Inn’res weit.

Dich schon erkannt zu haben,
vermeint’ ich im Verstand,
da süß ich dich empfand,
in Bildern dich erblickte;
mein wähnt’ ich deine Gaben,
das Nippen von dem Rand
sei mir bereits ein Pfand,
dass mein, was mich entzückte.
Jetzt scheint’s, mich Wahn berückte;
nicht bist du, wie ich meinte,
da dir ich mich vereinte,
noch von der Wahrheit weit.

O Licht, undarstellbares,
wer kann dich nachgestalten,
da du gewollt hast walten
in dunkler Finsternis?
Dein Leuchten führt, dein wahres,
nicht den, der dich zu halten
vermeint’ und möcht’ entfalten
dein Sein ohn’ Hindernis.
Der Tag ist Nacht gewiss;
da wird nicht Kraft gefunden,
die fähig, zu erkunden
den Blick der Herrlichkeit.

Nichts kann die Kraft ausrichten,
die dahin ist gekommen;
verkehrt wird ihr vorkommen,
was g’rade sie sich dachte.
Neu will sich Trug ihr schichten,
wo alles Licht verglommen;
ihr ist ein Stand gekommen,
drauf sie nicht Rechnung machte.
Das, was nicht Lust ihr brachte,
und alles ist vergessen,
und das, was sie besessen,
ob solcher Köstlichkeit.

Wenn Tätigkeit der Seele,
da sie in Gott entrücket,
ist völlig eingenicket,
sie sich in sich nicht findet;
ist’s, als ob ganz sie fehle
sich selbst, in Gott verzücket;
sie staunt, wie es geglücket;
ihr Tun sie kaum empfindet,
ganz neu sie sich begründet,
die eig’nen Stand’s vergess’ne,
verzückt in’s Unermess’ne,
zum Untergang bereit.

Inmitten dieses Meeres,
dess Tiefen sie sich weihte,
sieht sie auf keiner Seite
zu fliehen sich vermögend;
Sich-Denken wär’ ein Schweres,
und was sich ihr bereite,
weil sie sich ganz erneute,
ein neues Kleid anlegend;
all Fühlen, noch sich regend,
in Gutem scheint’s zu baden
bei jener Schönheit Gnaden,
von allen Farben weit.

Sie nimmt ihr Teil von allen
durch Einung mit dem Einen,
mit dem sie eins muss scheinen,
und sagt: Das All ist mein.
Die Riegel sind gefallen,
vollbracht ist das Vereinen,
der Geist zählt zu dem Seinen,
was Gott gesamt nennt sein.
Ein Neues kommt ihr ein;
was sie nicht kannt’, erblickt sie,
was sie nicht glaubt’, entzückt sie;
sie schmeckt ohn’ Sinnlichkeit.

Weil so sie sich verloren
ohn’ irgendein Beschränken,
darf sie zur Hoheit lenken
des unermess’nen Guts;
da nicht für sich erkoren
sie etwas mit Bedenken,
will sich das Gut ihr schenken
ohn’ Maß, – und ganz es tut’s.
Ihr Sein, verwandelt ruht’s
besitzend und verlierend,
zu suchen sich nicht rührend
ein Wort, das Kunde beut.

Verlieren und festhalten,
und lieben und ergetzen,
in Anschaun sich versetzen,
die Tätigkeit noch bleibt.
Ob ihren Schätzen schalten,
drin schimmernd sich zu letzen,
umstrickt von Wonnenetzen,
wohin sie’s ewig treibt;
solch Tausch sich hier beschreibt,
Tausch in der Liebe Klarheit,
im sel’gen Licht der Wahrheit,
in ew’ger Tätigkeit.

Kein Tun ist sonst am Platze,
kein and’res naht da droben;
was war, wird aufgehoben
im Geist, der suchend strebte.
Nicht Glut naht diesem Schatze,
noch kann sich Pein erproben;
nicht ist solch Licht das oben,
wie vormals es vorschwebte;
das, wofür sonst sie lebte,
von dem muss itzt sie lassen,
muss neue Ding’ erfassen,
ob ihrer Fassung weit.

Das Licht, das erst erglänzet,
von Dunkel scheint’s umgeben;
fehlvoll wird sich ergeben,
was Tugend sie gemeint.
Nicht sicher sie’s begrenzet
im erstlichen Erheben,
als kund sie tat sein Leben,
wie’s dem Verstande scheint.
Dem Gut, das alle eint,
nicht findet sie ein Gleichnis,
das tauglich wär’ zum Zeugnis,
da jedes Gleichnis weit.

Wenn dahin sie gekommen,
sie’s Finsternis erachtet;
als Tag sie es betrachtet,
der Dunkelheit ausstrahlt.
Hast du nicht wahrgenommen,
nichts sei, was du geachtet
in dir, ist trugumnachtet,
was dir als wahr sich malt.
Nicht rein siehst die Gestalt
der Lieb’ in dir du schimmern;
um dich willst du dich kümmern
und sein zum Sieg bereit?

Willst du zu bilden gehen
ein Bild, es zu gewahren,
durch Schmecken zu erfahren,
was grenzenlos im Wesen:
Glaubst du bei dem Vorgehen
die Allmacht zu umscharen,
sie als Besitz zu wahren,
so hast du Wahn erlesen.
Das Bild, das dein gewesen,
nicht darfst du ihm vertrauen;
doch kannst du darauf bauen,
dass es von Wahrheit weit.

So lasse denn dich ziehen,
wenn es dich hat berühret,
ob es dich etwa führet,
sich selbst zu zeigen dir.
Willst du vor dir entfliehen,
es ward umsonst erküret;
schnell wär’s zurückgeführet
samt deiner Schwachheit dir.
Die Ruh’ erwähle hier
mehr als Gefühl und Wirken;
in deines Ich’s Verwirken
find’ seine Herrlichkeit.

Das, was ihm wird gefallen,
gefalle dir zu wählen,
da hier für nichts zu zählen
dein Tun mit allen Kräften;
lass Frieden dich durchwallen,
woll’ sein Umarmen wählen;
nicht zürn’, lässt er’s dran fehlen;
mögst dich an dich nicht heften;
liebst du nach Pflicht und Kräften,
stets bist du dann zufrieden,
da dir als Pfund beschieden
das Licht, von Furcht befreit.

Du weißt, nichts kannst du haben,
als was er dir will geben;
und gibt er dir’s nicht eben,
bist du der Herrschaft bar;
und nicht kann dich erlaben,
was dein durch Kraftbestreben,
wird dir’s nicht neu beleben
sein Lieben, wunderbar,
da dein Weg ganz und gar
nur außer dir gelegen,
nicht in dir allerwegen;
er ist im Herrn bereit.

Drum, hast du ihn gefunden,
magst du ihn recht erkennen,
da keine Kraft zu nennen,
die hier ausreichend wär’.
Im Gut, das dir verbunden,
gab Lieb’ sich zu erkennen;
nicht kannst du ihm vorrennen,
und eilst du noch so sehr.
So sei all dein Begehr
versenket in dem Schoße
dess, der der Namenlose,
der jedes Gute beut.

Von dir sollst nichts du wollen,
nur was beschließt sein Wille;
vergeh’ in seiner Stille
ganz umgeformt in ihn.
All deine Wünsche sollen
in dem ruhn, was sein Wille;
er einzig deine Hülle
nach völl’gem Dich-Ausziehn,
da diesem Stand verliehn,
zu stehn ob andern allen;
denn nie lässt Christ dich fallen
auf’s Neu’ in Sündigkeit.

Da dich du nicht wirst lieben,
vielmehr nur jene Güte,
die Wahrheit dir behüte,
weil eins mit ihr du nun;
er muss dich wieder lieben
mit seiner Liebe Blüte,
so einig im Gemüte
bist du ihm und im Tun.
Es ist ein Wechseltun
so inniger Vereinung,
dass nimmermehr Verneinung
das ein’ge Herz entzweit.

Wenn alles du gewähret
und nichts für dich behalten,
bei eig’ner Liebe Walten
kann er dich da nicht lassen.
Das Gut, das er bescheret,
muss dich in sich gestalten,
und würd’ es nicht dich halten,
müsst’ es sich selber hassen.
Wie nicht sich selbst verlassen
dies Licht kann, noch verlieren,
muss, eins mit dir, es führen
dich hin zur Seligkeit.

Dir, hohe Wahrheit, eigen
muss Herrschaft sich bekunden,
und ihm, der dich gefunden,
bist Ziel du und Geleite.
Friedvolles, sel’ges Schweigen,
mit solchem Glanz verbunden!
Kein Ding wird je gefunden,
das Wandel dir bereite.
Ihm ward ein Sitz zur Beute,
fest und voll lichter Würde;
nie miss’t es seine Zierde,
ging’s auch durch Hässlichkeit.

Rein bleibt die Seele immer,
solang bei ihr es weilet;
kein Fehl ihr Leid erteilet,
weil er so hoch nicht reicht.
Sie steht so hoch im Schimmer,
wo Fried’ ihr Elend heilet;
von Fehlern ungeheilet
die Welt tief drunten schleicht.
Nicht dahin Tugend steigt
bei höchstem Liebesbrande;
von so erhab’nem Stande
ist noch ihr Wert gar weit.

Es ist der Krieg zu Ende,
am Ziel der Tugend Streiten,
und unsers Geists Arbeiten
erfordert nun nichts mehr.
Dem Geist bei dieser Wende
sich Kleider neu bereiten;
im Harnisch darf er schreiten,
durch welchen dringt kein Speer.
Er blickt zum Lichte, hehr,
sucht fürder nicht Gestalten,
weil diese Höh’ das Walten
des Äußern bannet weit.

Ob Firmamentes Bogen,
den man vom Glanz geschmücket
der Kräfte all erblicket,
und ob dem, der kristallen,
ist sie hinausgeflogen;
ob Geist’gem aufgezücket,
zur dritten Sphär’ entrücket,
wo Seraph’s Gluten wallen.
Nie einem Fehl verfallen
ist solches Licht zu denken,
noch kann es je sich senken,
noch fasst’s Unreinigkeit.

Hier muss der Glaube enden,
da ihr gewährt zu sehen
die Hoffnung, da geschehen
ihr nun, wie ihr Verlangen.
Die Sehnsucht muss sich wenden,
das Wollen hier vergehen;
nur Furcht, nicht festzustehen,
macht noch die Liebe bangen.
Was sie als Schau’n umfangen,
es gleicht dem Wahn des Blinden,
drin Unruh’ nur zu finden,
von Irrwahn selbst nicht weit.

Im Empyraeum droben
wird sie so Hohes finden,
dass, um davon zu künden,
kein Wort dafür genügt.
Staunen mich hält umwoben,
wie neu sie stets sich gründen
mag, und der Kraft verbünden,
wie’s keine Rede fügt.
Kein Pfad fortan sie trügt,
der sie zum Dunkel trage;
es ward die Nacht zum Tage,
Fehl – Liebvollkommenheit.

Wenn, wie die Luft vom Lichte,
sie licht ward in den Wonnen,
wenn sie wie Wachs zerronnen,
das man zur Glut gebracht:
Strahlt weit sie, die die Richte
zu jenem Licht gewonnen,
ihr Tun ist all zerronnen,
hin ist des Willens Macht.
Die Form, die ihr erwacht,
hat also sie verschlungen,
dass sie lebt todbezwungen,
besiegt des Siegs sich freut.

Nicht Wein zu suchen gehe,
verströmt in Meeresgründen,
als wär’ er noch zu finden,
weil ihn das Meer empfangen.
Nicht möglich, dass bestehe
in jenen Gottabgründen
sie noch, sie muss verschwinden,
als ob nicht angefangen.
In Liebe aufgegangen,
ist sie so umgewandelt,
ihr Selbstsein ist verhandelt,
von jeder Selbstmacht weit.

Sie will, doch ohne Wollen;
denn fern ist all ihr Wille,
und nichts ist, das sie stille,
als einzig jene Schöne.
Nicht ihrem Wunsche zollen
kann etwas, nicht sie füllen
ein Schatz, der Wonne willen,
kraftlos ist ihre Sehne.
Auf solchem Nichts ist jene
erhab’ne Höh’ gegründet,
entselbstet, neu begründet
im Herrn der Ewigkeit.

Vernichtung, hoch erhaben,
so groß ist dein Verrichten,
dass sich die Tore lichten
zum schrankenlosen Sein.
Dich wird die Wahrheit laben,
du fürchtest kein Vernichten,
das Krumme wirst du schlichten,
gibst Dunklem lichten Schein.
Das Herz geeint so ein
in Gottes Lieb’ du führest,
nichts führt, wo du regierest,
mit Gottesliebe Streit.

So groß ist deine Feinheit,
dass sie ob allem gehet,
und, was dort unten stehet
Fehlvolles, lässet ziehn.
Mit Leichtigkeit voll Reinheit
dein Fuß zur Wahrheit gehet,
dass rückwärts dir nicht spähet
der Blick, den Fehl zu fliehn.
Stets Wonnen dich durchziehn,
so bist du einverstanden
mit Wahrheit; nie mit Banden
umfangen hält dich Leid.

Gefallen und Missfallen
hast du aus dir geschieden;
das, womit er zufrieden,
gefällt dir noch allein.
Dir kann kein Will’ aufwallen,
er ruht in tiefem Frieden;
dem Sehnen ward beschieden,
für immer still zu sein.
Zum Ofen gingst du ein,
der läutert, nicht entzündet,
vor welchem Schutz nicht findet,
was Frost und Wärme beut.

Verdienst kann dich nicht kümmern,
doch wirst genug du haben;
denn Licht und neue Gaben
nahn mehr, als du ersehnt.
Greif zu, so viel wird schimmern,
als g’nügt an diesen Gaben,
stets Freuden dich erlaben,
drin sich die Seele dehnt.
Ruh’ hier die Eile höhnt,
hier ist Sich-Senken Steigen,
gib mehr, mehr wird dir eigen,
Gott selbst sich dir verleiht.

Du hast und bist doch Habe;
in solcher Einheit Frieden
gibt’s fürder nichts hienieden,
das dich ihm könnt’ entziehn.
Du labst dich und bist Labe,
da Wandlung dir beschieden;
auf ewig ist gemieden,
wofür du könntest glühn.
Was könnte, rückzuziehn
die Hand von deinen Wegen,
ihn irgend noch bewegen,
Herrin im Brautgeschmeid?

Den Tod hast du bezwungen
und wahres Leben funden,
du fürchtest keine Wunden,
noch was verletzen kann.
Von dir selbst losgerungen,
wer säh’ dich überwunden?
Da du mit Gott verbunden,
liegt jeder Feind im Bann.
Welch Sein dein Geist gewann,
kein Mensch kann es erspähen,
nur wer zu solchen Höhen
dich hob aus Niedrigkeit.

Dein tief erniedrigt Wesen
ist also hoch erhoben,
auf hohem Sitz dort oben
mit Gott zu herrschen immer.
Du durftest jenes Wesen,
so tief versenkt, erproben,
dass du dir selbst zerstoben,
und dir erscheinest nimmer.
Und dieser Hoheit Schimmer
ist ew’ges Neigen, Steigen;
wem’s nicht durch Kosten eigen,
ist vom Verständnis weit.

Welch’ Schätze hast du inne
wenn alles du verloren,
niemals zu Menschenohren
gelangt’ ein solcher Kauf;
o Licht, das zu Gewinne
die Fehler selbst erkoren!
Kraft ward dir zugeschworen
ohn’ eig’nen Wirkens Lauf.
Neu ist des Werks Verlauf,
wo Leben sich entkräftet
und sich entkräftend kräftet,
sinkt und steigt höher weit.

Nachteil muss Vorteil werden,
wo solch ein Licht dich leitet,
und sich zum Tod bereitet
das, was dir widersagt.
Dein Glück ist voll; auf Erden
verzerrt das Glück hinschreitet;
durch dich man Heil erbeutet,
dem Toten neu es tagt.
Aus Gift, das an uns nagt,
lässt Gegengift du schimmern,
schaffst Festigkeit aus Trümmern
und Glanz aus Dunkelheit.

Dich nenn’ ich einen Garten,
mit Blumen reich geschmücket,
wo man gepflanzt erblicket
den wahren Lebensbaum.
Du Licht auf Himmelswarten,
dem Dunkel fern gerücket,
so fest und so beglücket,
dass nicht ein Leid hat Raum.
Und da, fern ird’schem Traum,
vereint du mit dem Wahren,
kannst Wandel du erfahren
niemals durch Bangigkeit.

Niemals kann, die vollkommen,
Veränderung berühren,
noch ohne dich regieren
die Lieb’, ob stark sie sei.
Zu diesem Schatz nicht kommen
kann Tugend je, noch führen;
noch dringt zu den Revieren
ein Geist, stehst du nicht bei.
Stets stehn die Pforten frei
für deiner Herrschaft Ehren,
hoch wird in Gott bewähren
sich deine Herrlichkeit.

Jacopone da Todi