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Jacopone da Todi

Deine Lieb’, o Jesu, zwingt mich,
dich in Liebe zu umfangen;
wenn ich wehre dem Verlangen,
will die Seele von mir scheiden.

Trennen will sich Leib und Seele,
wenn um Christ sie sich bemühte;
und es gibt ihr himmlisch Sein,
der ein Meister ohne Fehle;
darauf fliegt die Lieberglühte
rasch zum Kaiserhof hinein. –
Wer kann Worte mir verleihn,
ihrer Schwingen Kraft zu schildern?
An Vergleichen fehlt’s und Bildern,
der Verstand muss sich bescheiden.

Keine Zunge kann erklären
und berichten, welche Wonnen
Christ im sel’gen Herzen schafft;
als ein Narr wird sich bewähren,
wer vermeint, er hab’ ersonnen
Wort und Weise für die Kraft;
denn der Leib wird hingerafft
und verliert so Läng’ als Breite;
maßlos hebt er sich in’s Weite
und entschwebt der Erde Leiden.

Ob dem Aufschwung liebentglommen
freut sich und frohlockt die Seele
in der wonnesel’gen Nacht;
hört sie nun den Liebsten kommen,
dass er ihr sich anvermähle,
wird sie ganz zur Glut entfacht;
umgeformt, entkleidet lacht
nun in Reinheit die Erfreute,
die sich gleich der Schlang’ erneute;
neue Sehnsucht wird sie weiden.

Alles muss sich neu gestalten,
was die Liebe sich erwählte
und beschlossen hält der Geist;
ihre Freude kann nicht alten,
denn sie ward die Anvermählte
Christi, der sich treu erweist.
Seine Füß’ umfasst sie dreist;
süße Tränen, liebe Worte
bringt sie ihrem Herrn und Horte;
denn ihr Herz vergeht in Freuden.

Eine Seele, welche trachtet,
ihren Bräutigam zu finden,
wird von Liebesglut verzehrt;
doch er flieht, wie sehr sie schmachtet,
um sie mehr noch zu entzünden,
dass der Liebesrausch sich mehrt.
Hat sie treu sich ihm bewährt,
dann erscheint er ihren Blicken,
um in seligem Entzücken
alles Fremd’ aus ihr zu scheiden.

Jacopone da Todi