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Meister Eckhart

Von der wahren Pönitenz und vom seligen Leben

Viele Leute halten dafür, dass sie schwierige Dinge anstellen müssten mit äußerem Gebaren; wie Fasten, Barfußgehen und solcher Dinge mehr. Man nennt das Pönitenzen. Aber die allerbeste Pönitenz, mit der man wirklich erheblich fördert, ist die, dass man sich zu einer vollständigen Abkehr entschließe von allem, was nicht durchaus Gott und göttlich ist an uns und aller Welt, und dafür eine volle und entschiedene Zukehr eintausche zu seinem lieben Gott in unerschütterlicher Hingabe, derart, dass unser Gedenken und Gelüsten groß sei zu ihm. Das Werk, bei dem dir das am besten gelingt, das gerade ist für dich das rechte, und je mehr du’s betreibst, desto echter die Pönitenz und die Reue, desto rascher spült sie die Sünde fort, dazu auch alles Fegefeuer. Ja, wolltest du im letzten Augenblick mit aufrichtigem Missbehagen dich von aller Sünde ab- und ebenso entschieden Gott zukehren: Und hättest du alle Sünden getan, die aufgehäuft wurden von Adams Zeiten bis in alle Zukunft, es wird mitsamt dem Fegefeuer dir alles ganz vergeben sein, dass, stürbest du zur Stunde, du hinführest vor Gottes Angesicht.

Dies ist die wahre Pönitenz, und die kommt, als in ihrem Gipfel, am vollkommensten an den Tag in dem teuren Leiden unseres Herrn Jesu Christi. Je näher man diesem Vorbild kommt, im selben Maße fallen von uns alle Sünden ab samt ihrer Pein. Wir müssen uns gewöhnen, in allem unsern Tun und Lassen, Leiden und Leben uns hinaufzubilden in das Leben und die Werke unseres Herrn Jesu Christi, und allezeit nur ihn im Auge haben, wie er’s nur immer auf uns abgesehen hat.

Diese Pönitenz ist schlechthin Erhebung des Gemüts über alles Endliche, ein Aufgehen in Gott. Die Werke, bei denen dir das am besten gelingt, denen widme dich freien Muts. Und hindert dich dabei ein äußerliches Werk, wie Wachen, Fasten, Lesen oder was sonst, so lass es freimütig weg, unbesorgt, du könntest etwas versäumen an Pönitenz. Gott sieht nicht an, welches die Werke seien, sondern nur, welches die Liebe, die Andacht, das Gemüt sei in diesen Werken: Es liegt ihm nicht an unsern Werken, sondern einzig an unserer Gesinnung, daran, dass er in allem unser Ziel sei. Denn der ist allzu gierig, der an Gott nicht genug hat. Das sei dir Lohns genug bei allen deinen Werken, dass dein Gott sie kennt und du ihn darin zum Ziele nimmst. Je unbeirrter und geschlossener du dies tust, umso gründlicher büßen deine Werke alles Sündige.

Gott, so musst du bedenken, ist ein gemeiner Erlöser der ganzen Welt gewesen, und dafür bin ich ihm noch weit mehr Dank schuldig, als wenn er mich alleine erlöst hätte. So sollst auch du sein ein gemeiner Erlöser alles dessen, was du durch Sünde an dir verderbt hast. Da wirf dich, wie du bist, in ihn. Hast du doch mit Sünden verderbt dein Herz und Sinne, Leib und Seele und alle ihre Vermögen: Was an dir und in dir ist, es ist alles gar siech und verdorben. Drum flieh zu ihm, an dem nichts Krankes ist, sondern eitel Gesundheit, dass er sei ein gemeiner Erlöser alles Verderbnisses an dir, so inwendig wie auswendig.

Reden der Unterweisung