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Meister Eckhart

Von zweierlei Gewissheit des ewigen Lebens

Zweierlei Wissen gibt es in diesem Leben über das ewige Leben. Das eine beruht darauf, dass Gott es dem Menschen selber sage oder durch einen Engel entbiete oder es ihm durch eine sonderliche Erleuchtung dartue. Das geschieht selten und wenigen Leuten.

Das andere Wissen ist ungleich besser und förderlicher und wird regelmäßig allen vollkommenen gottliebenden Leuten zuteil. Es beruht eben darin, dass der Mensch kraft der Liebe und Zugehörigkeit, die er zu seinem Gott hegt, zu ihm voll rückhaltlosen Vertrauens und seiner ganz sicher ist; wie er ihn denn unterschiedslos entgegennimmt in allem Endlichen. Und bestritten’s ihm auch alle Kreaturen unter ihrem Eide, ja stritte Gott selber es ihm ab, sein Zutrauen wankte nicht, denn Liebe kann nicht misstrauen, sie gewärtigt nur Gutes. Und es hat nicht Not, dass man das dem Liebenden und Geliebten erst sagen dürfe: Indem einer empfindet, dass er Gottes Freund ist, ist er auch kurzerhand vergewissert über alles, was ihm gut ist und zu seiner Seligkeit gehört. Denn wie liebend dir auch zu ihm ist: Des kannst du sicher sein, dass ihm ohnmaßen liebender ist zu dir, und er in dich noch ungleich größeres Vertrauen setzt. Denn er ist selber die Treue. Solcher Dinge kann man von ihm sicher sein und sind alle sicher, die ihn lieben.

Diese Gewissheit ist viel umfassender und verlässlicher als die erste; sie kann nicht trügen. Das Sagen könnte trügen, und das Licht möchte vielleicht ein Irrlicht sein. Diese Gewissheit dagegen verspürt man in allen Vermögen der Seele, sie kann nicht trügen in denen, die ihn wahrhaft lieben. Ein Zweifel ist für sie daran so wenig möglich wie an Gott selber.

„Liebe vertreibt alle Furcht“, sagt Paulus; und gleichfalls geschrieben steht: „Liebe deckt der Sünden Fülle zu“, sie weiß von Sünde nicht. Was doch gewiss nicht bedeutet, man dürfe nie gesündigt haben, sondern dass sie ganz und gar verderben und vergehen, wie wenn sie nie gewesen wären. Alle Werke Gottes sind auf einen Schlag vollkommen bis zum Rande: Wem er vergibt, dem vergibt er alles mit einem Male und lieber Großes als Kleines. Auch dies eine Wirkung des rückhaltlosen Vertrauens. – So achte ich denn dieses Wissen für ungleich besser: Es bringt mehr Gewinn und ist verlässlicher als das erste. Denn hier bildet auch die Sünde kein Hindernis. Sondern die Gott in gleicher Liebe findet, die urteilt er als gleich, hab einer nun viel oder gar nicht missgetan. Da gilt nur das Wort unseres Herrn: „Wem mehr vergeben wird, der liebe umso mehr.“

Reden der Unterweisung