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Jacopone da Todi

Sag’, o Nichts, du hoch erhab’nes,
sag’, o sage, wo du weilst.

„Seele, die du strebst nach Wahrem,
meine Stätte willst erfahren,
musst dem Leben erst entfahren,
eh’ solch Wissen dir sich beut.

Mich erblickt kein Mensch im Leben,
hat er Abschied nicht gegeben
allem ird’schen Sein und Streben,
das dem Geist Verwirrung bringt.

Wisse, Lieb’ ist’s, wo ich weile,
den Geschöpfen ich enteile,
Platz im Herrn ward mir zuteile;
dort ist ausgespannt mein Zelt.

Keinem Menschen steh’ ich offen,
der auf sich noch setzt sein Hoffen;
kein Warum wird angetroffen,
wenn die Stätte wird gewährt.

Nicht dein Tun kann sie gewinnen,
nicht dein Sehnen, noch dein Sinnen;
dass du nicht sie wähnst von drinnen, –
Gott gibt sie nach freier Wahl.“

Dieser Stand ist reich an Schimmer,
wie des Stromes Glanzgeflimmer
unterm Licht; so wähne nimmer
irgend Finsternis in ihm.

Finsternis ist uns’re Lage;
doch dies Dunkel gleicht dem Tage;
legst du dies auf deine Waage,
kannst den Weg du selber gehn.

Wähnst du ihn aus dir zu haben,
dich aus dir an ihm zu laben,
bist du fern des Wissens Gaben,
das dein Denken übersteigt.

Sehnst du dich nach diesem Stande,
lege ab der Welt Gewande,
schling um Christ der Liebe Bande;
er kann diesen Stand verleihn.

Höchster Stand, den wir ersehen,
ist’s, in diese Nacht zu gehen;
Weisheit lernst du hier verstehen,
die dich gut zu leiten weiß.

Nicht wohl kann ich dir erzählen
diese Freud’ erwählter Seelen;
nichts kann hier dem Glücke fehlen,
welches alles übersteigt.

Kunde können nicht erteilen
selbst die in dem Lichte weilen;
Dinge kündeten die Zeilen,
die man würde glauben nicht.

Ihnen fern ist jedes Mühen,
frei sie ihren Odem ziehen,
jedem Leide sie entfliehen,
das in Kümmernis verstrickt.

„Hohes Sein ist mir beschieden,
Gott misst’s, keiner sonst hienieden;
also leb’ ich tief im Frieden,
weil ich sehe, wo ich bin.“

Das besagte Nichts, mein Wesen,
Ruh’ ist ringsher ihm erlesen,
fern bleibt Angriff ihm des Bösen,
und in Gleichmut lebt es stets.

Die vier Winde mich umdrohten,
die dem Geist Verwirrung boten,
der Allmächt’ge hat geboten,
dass sie sei’n für ewig stumm.

Diese vier, für die ich offen,
eitle Lieb’ ist’s, töricht Hoffen,
leere Furcht, die mich betroffen,
und der Mangel wahrer Lust.

Wahre Lust ist’s, ihn zu lieben,
so dass Eins aus Zwein geblieben;
nichts kann zwischen uns sich schieben,
das Verwirrung brächte je.

Himmel ist’s auf dieser Erden;
Irrwahn schafft hier nie Beschwerden;
Sklav’ zu sein, beraubt zu werden,
kümmert nicht den Liebenden.

Und im Licht, das aus den Höhen
er mir zeigt, lässt er mich sehen
schön jedwedes Ding; es stehen
meine Taten klar in ihm.

Mit der Wahrheit ganz verbunden,
hab’ ich Sicherheit gefunden;
gleichgewillt zu allen Stunden
sind wir, nichts fehlt meinem Glück.

Solchen Glücks ich mich getröste,
das, der in mir, ein mir flößte,
welcher meine Ketten löste,
die verschuldeten mein Leid.

Nicht darf ich umher noch gehen;
mag ich rings die Welt durchspähen,
meinen Ofen kann versehen
nichts mehr; so groß ward das Haus.

Dieses Haus der Name weihte:
„Endlos Nichts nach jeder Seite“;
nichts erfüllet seine Weite
als allein Mariens Sohn.

Dieses Wort, das uns verkündet,
das in uns sein Reich gegründet,
will, dass unser Mühen findet
Ruh’ in seinem Zeichen nur.

Armer Wurm, dein Heil verstehe,
deinem Lavaberg entgehe,
der vordem dir brachte Wehe;
jetzo weißt du, was zu tun.

Ruh’ nicht kann die Seel’ erreichen,
soll sie vom Geliebten weichen;
ist sie fern dem Freudereichen,
dann ist all ihr Tun nur Pein.

„Nicht kann and’res mich vergnügen,
diese Macht muss mich besiegen;
seh’s vor mir in klaren Zügen,
dass ich nicht mehr zweifeln kann.

Nimmer Pein und Schmerzen findet
der, den diese Glut entzündet;
alles and’re rings verschwindet
ganz vor dieser Liebe Glut.

Halt’ es, Seele, für ein Glücke,
dass dich Leid und Pein durchzücke,
kehre stets in dich zurücke,
willst du frei sein aller Qual.“

Das, wonach dein Wunsch mag spähen,
alles kannst in dir zu sehen;
und aus dir hinauszugehen,
nie sich dir ein Anlass beut.

Stets hier siehst du volle Hände,
Fülle nimmt nicht ab durch Spende;
dieser Quell fließt ohne Ende
stets in reichem Überfluss.

Überfluss, der weilet drinnen,
unversiegbar wird er rinnen;
Nahrung lässt er stets gewinnen,
und den Hunger kennt er nicht.

Wer nicht drin steht, wird’s nicht künden;
schwierig ist es zu ergründen,
dass die Seele könne finden
einen Stand, so wandellos.

Wem die Füße noch gebunden,
kann den Zustand nicht erkunden;
nie wird ihm ein Weg gefunden,
der zu seiner Kunde führt.

Mehr lässt Wahrheit hier geschehen,
als du jemals kannst einsehen,
fassest du’s nicht, lass es gehen;
bitte Gott, dir’s zu verleihn.

Gott ist also hier zu Hande,
dass, sprengt nur der Mensch die Bande,
er sogleich zu diesem Stande
auf den rechten Weg ihn führt.

Jesus Christ ist Weggeleite,
der dich ruft an seine Seite;
wenn dein Blick sich anderm weihte,
fielest du in Finsternis.

Ruft er dich, nicht wolle säumen,
folg’ ihm nach, hör’ auf zu träumen;
ist der Weg in jenen Räumen
schwer auch, sorge nicht darob.

Wohl ist’s eine schwere Reise,
Lassen von der Heimat Weise,
Gehn in ungewohntem Gleise;
starker Glaube ist hier Not.

Wer den Glauben durft’ erlangen,
großen Lohn wird er empfangen;
Christus, dem er nachgegangen,
wird verschmähen nicht sein Müh’n.

Nie bist du dem Herrn verbunden,
bis du völlig überwunden,
was von Schmerz du auch empfunden,
sei’s durch Worte, sei’s durch Tat.

Wer nach diesem Wege strebet,
stets wie in der Fremde lebet;
was sein Szepter überschwebet,
alles weiht er seinem Gott.

Tiefsten Frieden darf ich nähren,
stets gestillt ist mein Begehren;
nimmer ist, mein Wohl zu stören,
irgendeiner noch im Stand.

Solches Werk ich offenbare,
dass ich Leid nicht mehr erfahre,
und vorüber sind die Jahre,
die mir brachten großes Leid.

Darf ein Leid nach ihm noch zielen,
dessen Durst die Fluten kühlen?
Mich erhebt so hohes Fühlen,
dass es keiner je erfasst.

Jacopone da Todi