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Jacopone da Todi

O Liebe, Gottesliebe,
was hältst du mich umsessen?
Dein hast du ganz vergessen
und strebst nach mir allein.

Ich seh’ dich auf fünf Seiten
bereit zum Angriff stehen,
im Fühlen, Riechen, Schmecken,
im Hören und im Sehen;
will ich nach außen gehen,
so dringst du auf mich ein.

Geh’ aus ich durch die Augen,
rings seh’ ich Liebe walten;
gemalt bist du in allen
den Farben und Gestalten,
und willst dich mir entfalten,
um Gast bei mir zu sein.

Und geh’ ich durch die Pforte
des Ohres, mich zu letzen,
an dich, o Herr, erinnert
mich jedes Tons Ergetzen,
kann nicht entgehn den Netzen
und höre Lieb’ allein.

Geh’ ich durch den Geschmack aus,
dich kündet jedes Schmecken;
o Liebe, Gottesliebe,
wer kann sich dir verstecken?
Mehr Lieb’ in mir zu wecken,
machst du mich völlig dein.

Und geh’ ich durch die Pforte,
die den Geruch wir nennen,
muss deine Form in allen
Geschöpfen ich erkennen
und gleich in Lieb’ entbrennen;
du fängst auch hier mich ein.

Und geh’ ich durch die Pforte,
die das Gefühl verwaltet,
seh’ dein Gepräg’ in allen
Geschöpfen ich gestaltet;
und Torheit mit mir schaltet,
gedenk’ ich frei zu sein.

Mein Herz versucht, o Liebe,
vor deiner Macht zu fliehen;
doch seh’ ich, du umformst mich,
mich ganz in dich zu ziehen;
umsonst ist mein Bemühen,
nicht bin ich fürder mein.

Erblick’ ich Schmerz und Leiden
an Menschen, die ich liebe,
wär’s möglich, dass mein Herze
dann ohne Mitleid bliebe?
Du unermess’ne Liebe,
wem wolltest du dich weihn?

Jacopone da Todi