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Jacopone da Todi

O stumme Liebe,
du schweigst, um tief im Herzen
zu bergen deine Triebe.

O Liebe, die du allwärts
dich birgst und jede Stunde,
dass keiner die Empfindung
gewahr’ im Herzensgrunde,
kein Räuber sie erkunde
an den erworb’nen Schätzen
und Raub an ihr verübe.

Je tiefer du verborgen,
so heißer wird dein Glühen;
wo man dich hehlt im Dunkel,
da werden Flammen sprühen;
und wer sich will bemühen,
mit Macht dich fernzuhalten,
empfängt nur Stich’ und Hiebe.

Wer viel und gerne plaudert
von seinem Liebesstreben, –
wie immer rein sich zeige
des Funkens erstes Leben:
Es wird ein Wind sich heben
und streuen in die Runde,
was er gefasst von Liebe.

Ein Mensch, der eine Kerze
steckt auf ein Lichtgestelle,
auf dass sie still und lieblich
das Zimmer ihm erhelle,
schließt Tür und Fenster schnelle,
dass nicht der Wind herwehe
und an ihr Löschung übe.

Und solche Lieb’ hat Schweigen
den Seufzern aufgetragen;
am Tore steht bereit sie,
den Ausbruch zu versagen,
wenn sie hervor sich wagen,
dass nichts die Seel’ entäuß’re
und nicht der Schatz zerstiebe.

Wird doch mit jedem Seufzer
gar leicht die Seele ziehen
und tändeln unbekümmert
um das, was ihr verliehen;
und will zurück sie fliehen,
so kann sie nicht mehr finden,
was sie besaß an Liebe.

Und solche Lieb’ hat Falschheit
verbannt aus ihren Reichen
und sorgt, dass nie sie könne
in ihre Nähe schleichen;
der falsche Ruhm muss weichen;
sie jagt ihn und verstößt ihn
und tötet solche Triebe.

Drum acht’ auf dich, o Seele,
und sei in Furcht und Bangen
beflissen, stets zu bergen
dein Lieben und Verlangen;
durch falscher Ehr’ Erlangen
verlörst du große Schätze,
die keiner wieder hübe.

Jacopone da Todi